Im sehr empfehlenswerten Podcast „Man glaubt es nicht“ wurde kürzlich über den Priestermangel in der katholischen Kirche in Deutschland berichtet. Diese Zahlen gibt es auch für Österreich, und sie zeigen einen ähnlichen Trend wie im Nachbarland.
Um die Statistiken zu verstehen, muss man einiges wissen. So gibt es in den jährlichen Zahlen der Priesterweihen eine Unterscheidung zwischen Diözesan- und Ordenspriestern. Erstere arbeiten typischerweise im Rahmen einer Diözese in einer oder mehreren Pfarren. Sie verzaubern sonntags Kekse. Die Ordenspriester unterstehen ihrem Orden, sie arbeiten großteils in anderen Aufgabenbereichen, nicht als Pfarrer in einer Gemeinde – es gibt aber auch solche, die das tun. Aktuell sind etwa 60 % der katholischen Priester in Österreich Diözesanpriester.
Während des Jahres gibt es regelmäßig Artikel mit Hochrechnungen über die Anzahl der Priesterweihen in katholischen Medien. Diese Berechnung ist so kompliziert, dass teilweise schon Titel und Text nicht übereinstimmen. Und die während des Jahres angegebenen Zahlen werden dann später in der offiziellen Statistik nach unten revidiert, weil manche Ordenspriester später nicht in Österreich tätig sind. Als ob das die Anzahl der Weihen irgendwie ändern würde. Mit solchen kaothischen Zahlen kämpft man als Chronist der Kirche.
Es gibt mit ganz wenigen Ausnahmen (Freigabe durch den Papst) zwei Möglichkeiten, katholischer Priester zu werden: Man verzichtet aufs Heiraten, oder wartet, bis die eigene Ehefrau gestorben ist – Scheidung geht ja nicht. Dazu kommen eine mehrjährige Ausbildung, ein Jahr als „Priesterlehrling“ und eben die Weihe. Dementsprechend variiert das Alter, in dem die Weihe stattfindet, stark. 2021 war das Durchschnittsalter der neu geweihten Priester 45 Jahre, 2022 wiederum 36 Jahre. Das bedeutet, dass eine (Diözesan-) Priesterlaufbahn im Durchschnitt eher nur 25 bis 30 Jahre dauert, selbst wenn einige engagierte Priester erst mit 70 in Pension gehen.
Zusätzlich gibt es die Diakone, die verheiratet sein dürfen und einiges in der Kirche tun können, aber ihre Zauberkraft reicht offiziell nicht für den wichtigen Hokuspokus in der Sonntagsmesse aus. Ihre Zahl steigt tatsächlich langsam an, und sie übernehmen in vielen Pfarren wichtige Aufgaben. Aber auf einen Diakon entfallen aktuell statistisch vier Pfarren.
Damit eine Organisation ihre Mitgliederzahl halten kann, muss sie abgehende Personen durch gleich viele neu hinzukommende Personen ersetzen. Wenn wir annehmen, dass katholische Pfarrer nach 30 Jahren in Pension gehen (oder aussteigen oder sterben), muss also ein Dreißigstel des Mitgliederstandes jedes Jahr nachkommen. Das ist heutzutage nicht der Fall. 2020 gab es noch 1.932 Diözesanpriester (heute ist die Zahl wohl näher bei 1.800), und 14 Weihepriester-Weihen. Das entspricht 0,72 %, oder 1/138, also nicht einmal einem Viertel der benötigten Neupriester. Selbst mit Diakonen zusammen wird die benötigte Ersatzrate bei weitem nicht erreicht.
Und das ist noch eine optimistische Rechnung. In Wirklichkeit ist der Klerus überaltert. Früher gab es viel mehr Weihen, damit gehen derzeit mehr Priester in Pension als die einfache Division der Berufsjahre ergibt. Schaut man sich die ebenfalls jährlich verfügbare Statistik der Diözesanpriester an, sieht man, dass zwischen 2011 und 2020 ein durchschnittlicher jährlicher Rückgang von 1,7 % festzustellen ist – in den letzten fünf Jahren dieses Zeitraums aber schon 2,2 %. Diese Abgangsrate ist noch höher als jene der ausgewiesenen „Mitglieder“ der katholischen Kirche, und offensichtlich im Steigen begriffen.
Heißt das, dass es in 45 Jahren gar keine katholischen Priester mehr in Österreich gibt? Nein, eher nicht. So funktionieren diese Prozesse nicht, auch wenn wir derzeit in einer Phase des Rückgangs sind, in der trotz sinkender Basis die Verlustzahlen absolut steigen. Dies wird nicht endlos so weitergehen, nur der Weg in die Bedeutungslosigkeit ist vorgezeichnet. Die Anzahl der Pfarren bleibt bislang mit etwas über 3.000 fast konstant – teilweise werden noch neue Pfarren gegründet. Nur kamen auf eine Pfarre 2005 noch 0,79 Diözesanpriester; dieser Anteil beträgt 2020 nur mehr 0,64. Eine schlechtere Betreuung der Gläubigen (in ihrer Wahrnehmung – sie wären in Wirklichkeit ohne Berufsmärchenerzähler besser dran) führt zur weiteren Abwendung von der Kirche, mehr Austritten, damit weniger Mitteln für Pfarren: Ein katholischer Teufelskreis.
Es wird seit Jahrzehnten versucht, Priester zu importieren. Das löst das Problem nicht, aus mehreren Gründen: Der Alltagsrassismus in Österreich ist immer noch stark, was zu Akzeptanzproblemen führt, und die Herkunftsländer kämpfen selbst schon mit Priestermangel. Diese Quelle ist am Versiegen, die Anzahl der „Weltpriester“ (für die katholische Kirche gibt es „Österreich“ und „Welt“ als Kategorien) steigt nur langsam und ging 2020, wohl in Zusammenhang mit Corona, zurück.
Lösungsmöglichkeiten gäbe es einige: Fast jede andere Konfession erlaubt verheiratete Priester, viele sehen sogar Frauen als gleichberechtigt und fähig, ein solches Amt zu bekleiden, an. Aber die katholische Kirche nimmt solche ketzerischen Reformideen schon aus den eigenen Reihen nicht an. Und ob ihr Untergang mit so etwas noch aufgehalten oder nur verzögert werden kann, ist auch noch nicht erwiesen. Ihre Funktionäre sinnieren über Neuevangelisierung, während sie auf einen Zug warten, der bereits vor Jahrzehnten abgefahren ist.
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Ich habe beim Beitrag auf Religion.orf.at sehr lustig gefunden, dass alle mit Namen genannt wurden … das geht halt nur wenn es sich um solche Größenordnungen geht.