Statistiken der katholischen Kirche 2021-2022

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Wie jedes Jahr im Jänner erschienen vor kurzem die neuen Jahresstatistiken der römisch-katholischen Kirche in Österreich. Die meisten Medien berichteten darüber. In vielen Fällen wurde der relativ gut recherchierte Bericht der Austria Presse Agentur übernommen, der auch wichtigen Kontext enthielt, zum Beispiel die Tatsache, dass die Konfessionsfreien die zweitgrößte Gruppe in Österreich sind.

Viele übernahmen dabei die positiv formulierte Schlagzeile direkt von Kathpress: Katholische Kirche verzeichnet Rekord … bei Austritten. Einzelne wie religion.orf.at auch andere unsinnige Formulierungen, die die Kirche jedes Jahr unters Volk bringen will, wie jene von den Menschen, die von „ihrem Recht auf Widerruf [des Austritts] Gebrauch machen“.

Die wichtigste Information ist eindeutig die Anzahl der Austritte, die (nach vorläufigen, üblicherweise später noch nach oben korrigierten Zahlen) 90.808 beträgt. Dies ist höher als der bisherige Rekord von ca. 86.000 im Jahr 2010, als weltweit und auch in Österreich das volle Ausmaß des katholischen Kindesmissbrauchs bekannt wurde.

Balkendiagramm der Austritte aus der katholischen Kirche

Wichtig hierbei ist auch, dass die Basis seither viel kleiner wurde, dieser absolute Rekordwert also relativ (als Anteil der ehemaligen Mitglieder) gesehen mit 1,88 % noch viel höher ist als damals (1,55 %). Die Anzahl der Katholiken ging im Jahresvergleich aber noch stärker zurück. Der Grund dafür ist, dass jedes Jahr mehr katholische Menschen sterben als neue getauft werden. Insgesamt verlor die Kirche in einem Jahr also – nach vorläufigen Zahlen – 94.539 Mitglieder, fast zwei Prozent des Vorjahresstandes.

Das folgende Diagramm zeigt die Austrittsrate (Prozentsatz der Ausgetretenen bezogen auf den Mitgliederstand im Jahr davor) und die Abgangsrate, die sich aus Austritten, Eintritten (durch Taufe oder Wiederaufnahme) und Todesfällen zusammensetzt. Bis 2018 ist der Balken der Austritte höher, abgesehen von diesen kamen also mehr neue Mitglieder dazu als abgingen. Seit 2019 gibt es aber zusätzlich zu den Austritten noch einen weiteren Mitgliederverlust durch weniger Neuzugänge als Abgänge.

Balkendiagramm der Austritte und Abgänge aus der katholischen Kirche

Während die Anzahl der Todesfälle wenig variiert, gab es einen großen Anstieg im Jahresvergleich bei den Taufen. Im ersten Corona-Jahr 2020 mit den vielen Lockdowns fanden nur 32.521 Taufen statt, diese Zahl stieg – auch durch nachgeholte Taufen – 2021 auf 45.541. Doch selbst mit diesem Einmaleffekt ist die Zahl niedriger als in allen Jahren bis 2018. Der Trend, dass nicht einmal mehr die Hälfte der Neugeborenen getauft wird, hat sich bereits 2019 abgezeichnet und gilt weiterhin.

Nachgeholte Rituale

Den Nachhol-Effekt gab es auch bei Erstkommunionen und Firmungen. Aber auch hier ist keine Trendwende abzusehen, die Rückgänge im Jahr 2020 werden mit ihnen nicht einmal vollständig kompensiert.

Die Anzahl der kirchlichen Trauungen erholt sich weniger stark. Diese Zahl ist schon 2019, also vor der Pandemie, auf knapp unter 10.000 gefallen. 2020 fanden pandemiebedingt nur mehr 3.595 und 2021, sicherlich auch noch von Corona beeinflusst, 6.674 kirchliche Trauungen statt, was immer noch stark unter dem Wert von 2019 ist.

Mehr Einnahmen von weniger Mitgliedern

Die Einnahmen der katholischen Kirche stiegen zwischen 2020 auf 2021 an. Der Großteil der Einnahmen stammt aus dem Kirchenbeitrag, dieser stieg trotz der vielen Austritte um 15 Mio. € auf 499 Mio. €. Das ist ein Wachstum um 3,1 %. Der Grund ist klar: Es treten eher junge Leute mit niedrigem Einkommen aus, während die Beiträge von älteren, gut verdienenden derzeit noch wachsen. Dies wird sich erst ändern, wenn größere Gruppen in Pension gehen und damit ihre Beiträge reduziert werden, oder die Austritte auch diese Alters- und Einkommensgruppen stärker erreichen.

Die staatliche Finanzierung (die die Kirche fälschlicherweise als „Wiedergutmachung“ bezeichnet) ist um 7,5 % auf 59,5 Mio. € angewachsen. Hier gab es ja Ende 2020 einen Parlamentsbeschluss für die Erhöhung der Zahlungen.

Anzahl der Priester fällt stärker als die der Mitglieder

Ein weiterer kritischer Faktor für die katholische Kirche ist die Anzahl der Priester. Sie ist von 2020 auf 2021 um 2,9 % gefallen, in fünf Jahren um 12,6 %. Dies bezeichnet die Kirche als „relativ stabile Situation“, wir kamen voriges Jahr zu anderen Ergebnissen. Da die Kirche die große Mehrheit der Bevölkerung (alle Frauen und alle verheirateten Männer) bei der Berufswahl diskriminiert, ist ihr Nachwuchs in diesem Bereich stark gefährdet. Wegen der Altersverteilung im Klerus wird diese Zahl in den nächsten Jahren noch stärker fallen. Aus Image-Gründen werden noch praktisch alle Pfarren irgendwie am Leben erhalten, aber das steigert den Druck auf die Priester immer weiter und verschlechtert ihre Arbeitsbedingungen.

Gründe für die vielen Austritte

Eine rational handelnde Organisation muss die Gründe für den Verlust von Mitgliedern analysieren, um weitere Abwanderung zu stoppen. Es hilft, wenn diese Gründe tatsächlich benannt werden können und nicht Ursachen mit Wirkungen verwechselt werden.

Zurück zur katholischen Kirche. Ihre Vertreter äußerten Vermutungen wie „Corona“ und „Distanz zur Kirche“. Das Eintreten der Kirche für Corona-Impfungen war schon im Vorjahr die „Erklärung“ für die damals zweithöchsten jemals gemeldeten Austrittszahlen. Die „Distanz zur Kirche“ ist wiederum das Ergebnis verschiedener Prozesse, nicht ihre Ursache.

In Online-Diskussionen oder Interviews in der ORF-Nachrichtensendung Zeit im Bild 2 äußerten Menschen ganz andere Gründe. Eine Frau erklärte, dass sie und mehrere in ihrer Umgebung ausgetreten sind, nachdem Papst „Franziskus“ einen Schwangerschaftsabbruch mit dem Anheuern eines Auftragsmörders verglich, andere nannten die zustimmenden Reaktionen des Papstes und anderer Kirchenvertreter auf die Abschaffung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch in den USA. Weitere Gründe waren natürlich die Kindesmissbrauchs-Skandale (gleich im Jänner 2022 erschienen ja die Ergebnisse der München-Freising-Missbrauchsstudie) und die fortgesetzte Diskriminierung von Frauen und selbstgewählten Lebens- und Partnerschaftsentwürfen. Natürlich spielen die Kirchenbeiträge für Leistungen, die die meisten Menschen gar nicht in Anspruch nehmen, auch eine Rolle.

Solange die Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung der Kirchenvertreter und der Wirklichkeit so groß ist, werden die Austrittszahlen auch hoch bleiben. Ob wir noch Rekorde bei den absoluten Austrittszahlen sehen werden, ist wegen der schrumpfenden Basis fraglich, aber bei Fortbestand dieser Trends gut möglich. Bei den relativen Austrittszahlen, also dem Anteil der Mitglieder, die pro Jahr austreten, ist ein deutliches, sich weiter verstärkendes Wachstum sichtbar.

Bisher war die seriöseste Vorhersage, dass 2025 das Jahr ist, in dem die Katholiken (nach Zählung der Kirche) nicht mehr die Bevölkerungsmehrheit in Österreich darstellen. Wenn die Entwicklung aber so wie in den letzten Jahren weitergeht, kann es bereits 2024 soweit sein. Dann noch zwei bis drei Jahre und auch die Summe der römisch-katholischen und evangelischen Kirchenmitglieder fällt unter 50 %, so wie das in Deutschland 2022 geschehen ist.

In ganz Europa, aber auch in Nordamerika fällt die Anzahl der Anhänger der großen christlichen Kirchen schnell, vor allem in den Altersgruppen der Jugendlichen und jungen Erwachsenen. In Österreich glauben nur 30 % der als christlich eingestuften Jugendlichen an „Gott oder etwas Göttliches“ (Jugendstudie 2020). Diese demografischen Fakten deuten darauf hin, dass die Religion zumindest in modernen Demokratien auf ein Abstellgleis zusteuert und zunehmend das Hobby von älteren Gesellschaftsschichten wird. Wann diese Entwicklung auf den Rest der Welt, der weniger Zugang zu Bildung und freiem Meinungsaustausch hat, übergreift, ist wohl eine der spannendsten Fragen der nächsten Jahre.

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