In der ORF-Sendung „Religion Aktuell“ vom 26. 6. 2025 meldet Redakteur Andreas Mittendorfer, alle drei in den Krieg im Iran involvierten politischen Führer, hätten „Gott“ für ihre „Kriegsrhetorik instrumentalisiert“. „Instrumentalisieren“ ist ein negativ besetzter Begriff, eine Kritik an der Verknüpfung von Ideen. Das ist eine Wertung, keine objektive Beschreibung der Geschehnisse. Dieselbe Redaktion berichtet regelmäßig von Friedensinitiativen von Religionen, die sie nicht als „Instrumentalisierung“, sondern als normales, berichtenswertes Verhalten betrachtet. Aber diese Einteilung von positiven, erwünschten Dingen als Kern der Religion und der „Instrumentalisierung“ anderer religiöser Äußerungen ist nicht die Aufgabe einer Redaktion, die der Objektivität verpflichtet ist.
Der Vorwurf ist, dass nicht der Kern, das Wesen, der Sinn der genannten Sache oder Idee für die Argumentation verwendet wurde, sondern eigene, davon abweichende Ziele mit der „Instrumentalisierung“ („Verwendung als Instrument“ ) verfolgt werden. In der konstant religionsfreundlichen Nachrichtensendung des öffentlich-rechtlichen Österreichischen Rundfunks wird dies als Problem, als kritikwürdiger Sachverhalt dargestellt.
Zwei Stimmen aus der Wissenschaft werden dazu eingeholt. Eine Forscherin an der Akademie der Wissenschaften beschreibt sachlich die Verbindung zwischen Krieg und Religion in allen drei Ländern, und dies sei ihr zufolge auch kein neues Phänomen. Für Kritik wendet sich die Redaktion an einen katholischen Dogmatiker. Prof. Tück findet es „bemerkenswert“, dass alle drei Politiker sich an den „Gott“ der drei unterschiedlichen Religionen bezögen und ordnet das als „besorgniserregend“ ein. Bemerkenswerte Aussage von ihm: „Weil nur durch die Entflechtung von Politik und Religion auch quasi eine vernünftige Lösung dieser Konflikte möglich wird.“
Der Religionsausübung in der Gesellschaft werden in der Forschung und von den VertreterInnen der Religionen unter anderem folgende Eigenschaften zugeschrieben: Sie sei identitätsstiftend, sie fördere den gesellschaftlichen Zusammenhalt, das Wir-Gefühl, sie zeige moralische Prinzipien auf, die von großen Gruppen akzeptiert werden. Wenn wir die Aussagen in diesem Zusammenhang, mit diesen unbestrittenen Eigenschaften betrachten, ist die These von der „Instrumentalisierung“ nicht haltbar. Im Kriegsfall werden genau diese Eigenschaften der Religion genutzt. Sie wird so verwendet, wie das auch der Fall ist, wenn die positiven Effekte der Religionszugehörigkeit betont werden. Wenn die Gesellschaft nach negativen Ereignissen „geeint wird“, „zusammensteht“, drängen sich die Religionen wie selbstverständlich in den Vordergrund, um zu „helfen“.
Der Bezug auf „Gott“ dient in allen drei Gesellschaften dazu, die identitätsstiftende und Zusammenhalt fördernde Wirkung der Religion zu nutzen. Das ist keine Instrumentalisierung – das ist die Verbindung von Religion und politischen Interessen. Die Religion wird so genutzt, wie sie auch von ihren Vertretern gedacht ist: Als ein Mittel, die Stimmung in der Gesellschaft für oder gegen etwas zu bewegen. Die Praxis, Religion in positiven Zusammenhängen als gesellschaftlich notwendige und nützliche Kraft zu beschreiben, aber bei negativen Entwicklungen von „Instrumentalisierung“ der Religion oder ihrer Elemente zu sprechen, ist nicht ehrlich.
Sicherlich ordnen VertreterInnen der genannten Religionen und die leichtgläubigen PropagandistInnen ihnen auch andere Eigenschaften zu, etwa ein Eintreten für den Frieden. Dies ist einerseits mit einem Blick in die fundamentalen Texte (altes und neues Testament, Koran) leicht widerlegt, andererseits auch durch die Praxis: Wenn führende Vertreter der jeweiligen Religion, also nicht PolitikerInnen, sondern die „studierten“, „kompetenten“ Sprecher sich der Ansicht anschließen, der Krieg sei auch eine religiöse Pflicht oder hätte eine religiöse Begründung. Aktuelle Beispiele dafür von hohen christlichen, jüdischen und islamischen Geistlichen sind leicht zu finden. Sicherlich gibt es Friedensbewegungen in den Religionen: In Kriegszeiten dürfen sie in freien Demokratien ihre Perspektive in den Medien äußern und das war’s dann auch. Das Ende von Kriegen haben diese Gruppen trotz regelmäßiger Nennung in ORF Religion Aktuell noch nicht erreicht. Und die Verwendung der vermeintlichen moralischen Autorität einer Religionsgemeinschaft hat noch nie einer religiösen Friedensbewegung den Vorwurf der Instrumentalisierung eingebracht – positiv besetzte Initiativen kommen im vorherrschenden Narrativ immer aus dem Kern der Religion. Nur Dinge aus der Palette derselben Religion, die man ablehnt, sind „Instrumentalisierung“.
Aus religionskritischer Sicht sticht die Aussage von Dogmatik-Professor Tück ins Auge: Durch die Entflechtung von Politik und Religion würde eine vernünftige Lösung der Konflikte möglich werden. Wir nehmen die Politik (hier konkret die Diplomatie), entfernen die Religion, und Vernunft bleibt übrig, Probleme können gelöst werden. Auch wenn Herr Tück das nicht so gemeint haben sollte, können wir uneingeschränkt hinter dieser Aussage stehen.
In diesem Beispiel beziehen sich Vertreter von drei Weltreligionen auf ihren jeweiligen Gott (der trotz aller esoterischer Behauptungen nicht der gleiche sein kann, da ihm unterschiedliche Eigenschaften und Positionen zugeschrieben werden), um eine jeweils unterschiedliche „Wahrheit“ zu vertreten. Wir AtheistInnen erkennen darin eine häufige Situation: Die können nicht alle gleichzeitig Recht haben, und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass auch nur einer im Recht wäre. Das ist ein naheliegender Schluss bei praktisch jedem Streit unter Religionen, und es braucht sehr große und undurchdringliche religiöse Scheuklappen, um dies nicht zu bemerken. Insbesondere wenn man es selbst thematisiert hat, wie die Religionsredaktion und der Theologieprofessor.
In der Religionspropaganda kann man das natürlich so nicht zugeben, deswegen der Wunsch, solche Äußerungen als Instrumentalisierung, als Verfälschung, als Missbrauch der Religion zu bezeichnen. Das ist kein guter Journalismus, wenn die Redaktion selbst, die eigentlich der Objektivität verpflichtet ist, eine solche Einordnung trifft. Damit „definiert“ die Redaktion im öffentlich-rechtlichen Rundfunk den Kern der Religion (Frieden) und seine falsche Verwendung oder Instrumentalisierung für den Krieg. Solche wertenden Einordnungen gehören in Meinungsbeiträge von JournalistInnen oder in Zitate ihrer GesprächspartnerInnen. Aber nicht in eine Nachrichtensendung. Wer solche Formulierungen als Nachrichten ausgibt, wer solche Wertungen wie selbstverständlich (und wahrscheinlich ohne es zu merken) als Fakt verbreitet, betreibt selbst Instrumentalisierung – in diesem Fall internationale Ereignisse für Religionspropaganda.
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