Die heiligen Superspreader sind wieder unterwegs

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Rechtzeitig vor Jahresende wirft sich noch eine Gruppe ins Rennen um den Titel der rücksichtslosesten und gefährlichsten Organisation Österreichs in Pandemiezeiten und damit in Konkurrenz zur Kickl-FPÖ und MFG: Die Katholische Jungschar mit ihrer Dreikönigsaktion. Für alle genannten Organisationen gilt die Unfugsvermutung.

In ihrem Corona-Konzept für 2022 schreibt die Dreikönigsaktion: „Im letzten Jahr waren trotz harten (sic!) Lockdown, ohne Impfungen und Testmöglichkeiten Sternsingergruppen von Haus zu Haus unterwegs“, als ob das etwas wäre, worauf Menschen mit gesundem Verantwortungsgefühl stolz sein könnten. Dabei waren damals griechische Buchstaben in Verbindung mit Corona noch nicht einmal bekannt; heute verbreitet sich die Omikron-Variante, zwei Größenordnungen ansteckender als alles, was vor einem Jahr schon Rekord-Inzidenzen verursachte. Wir haben zwar gute Testmöglichkeiten und Impfungen, aber genau die Altersgruppe mit der niedrigsten Durchimpfungsrate und der höchsten Inzidenz soll wieder in persönlichen Kontakt mit möglichst vielen Menschen geschickt werden. Damit kann die christliche Mission an ihre jahrhundertealte Tradition anknüpfen und neben sinnloser Desinformation auch wieder tödliche Seuchen verbreiten.

Dass die Geschichte von den drei Königen, Weisen oder Magiern kompletter Unsinn ist und es keinen Grund gibt, sie genau in die Zeit nach der Wintersonnenwende zu legen, haben wir ja schon vor einem Jahr beschrieben. Auf die damals geäußerten vernünftigen Vorschläge wie eine Verschiebung in die Osterferien oder fixe Stände im Freien reagieren halt kirchliche Organisationen traditionell nicht.

Was (aus heutiger Sicht) heuer anders ist: Es gibt keinen Lockdown, aber das Infektionsgeschehen ist insbesondere in Schulen sehr hoch, weil dort auf Präsenzunterricht gesetzt wird, während in Unternehmen Home Office wo immer möglich auf der Tagesordnung steht und Impfungen immer mehr vorausgesetzt werden. Die Weihnachtsferien sind also endlich eine Möglichkeit, für die Bevölkerungsgruppe mit der höchsten Inzidenz die Kontakte für zwei Wochen einzuschränken. Dies wird von der Jungschar mit der Aktion nicht nur in Bezug auf die Kinder konterkariert, nein, sie werden auch noch zu Menschen geschickt, die sonst keinen Kontakt mit ihnen haben.

Die Begründung, wieso die Aktion wieder stattfinden darf, und auch vor einem Jahr im Lockdown stattfinden konnte, ist die Gleichsetzung von unaufschiebbarer freiwilliger Tätigkeit mit der notwendigen Berufsausübung. Erstens ist „freiwillig“ nicht immer gleich mit „wohltätig“, sondern hier eher mit „gemeingefährlich“ besser beschrieben; zweitens nutzt genau die Organisation dieses Argument, die auch die Webseite KinderarbeitStoppen.at betreibt. Da weiß die eine Gehirnhälfte (falls vorhanden) nicht, was die andere tut.

Aber die Aktion ist „mit den Gesundheitsbehörden und anderen Experten/innen in Kontakt“. Welche ExpertInnen sagen, dass es eine gute Idee ist, jetzt die Aktion zu machen? Das Robert-Koch-Institut empfiehlt, nein, fordert maximale Kontaktbeschränkungen. Der britische Gesundheitsdienst warnt vor Überlastung, viele andere Länder beschließen strenge Maßnahmen. Österreich schickt Menschen, die die Grenze überqueren, in Quarantäne, als ob es im Land noch kein Omikron gäbe. Mitten in dieser Situation sucht sich die Katholische Jungschar ExpertInnen, um den Persilschein für die Abhaltung dieser völlig unnötigen Aktion genau jetzt ausgestellt zu bekommen. Hierbei verstoßen Menschen gegen ihre Sorgfaltspflichten.

In ihrem Jahresbericht beschreibt die Aktion stolz, dass sie letztes Jahr schon Alternativen zum Hausbesuch wie Videos und Online-Spendemöglichkeiten fand — aber wann hat eine kirchliche Organisation je aus Erfahrung gelernt? Aus dem Geschäftsbericht geht jedenfalls wieder hervor, dass Mission weiterhin ein erklärtes Ziel der Organisation ist, in Österreich und im Ausland. Das Geld wird also nur teilweise für wirkliche Hilfe und zu einem Teil eben für Zwecke und Ziele der Kirche verwendet.

Unser Standpunkt ist unverändert: Die Dreikönigsaktion ist unnötige und übergriffige, kaum noch willkommene Missionierung in einem zunehmend säkularen Österreich; sie könnte mangels biblischer Festlegung auf die Zeit nach der Wintersonnenwende in Wirklichkeit jederzeit stattfinden, also besser in Zeiten niedrigerer Inzidenz; und schließlich sind Spenden bei einer so verantwortungslosen Organisation wesentlich schlechter aufgehoben als etwa dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen.

Wir empfehlen also wie im Vorjahr: Die Tür bleibt zu. Praktische Türanhänger „Sternsinger nein danke“ zur Gefahrenabwehr gibt es bei der Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt.

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Daß der historische Hintergrund „Märchen“ sind ist klar. Meiner Meinung nach hat aber die Geschichte eine völkerverbindende Wirkung (auch der Mohr ist ein Weiser-König).
Es ist auch wichtig das soziale Angagment schon von Jugendlichen zu fördern. Unsere Welt sehe besser aus, wenn mehr Menschen in Vereinen, Parteien, etc. mitarbeiten würden.

Guter Text!
Leider hat ein Mail bei der verlinkten Plattform zur Zusendung der Türanhänger Ende des Vorjahres nichts genützt (unbeantwortet). Falls es die Anhänger vielleicht noch woanders gibt, bitte gerne ergänzen, fürs nächste Jahr dann.

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