(Bildnachweis: Barbara Karlich, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons)
Die Barbara-Karlich-Show ist aktuell die am längsten laufende Nachmittags-Talkshow im deutschsprachigen Fernsehen. Das Genre hat einen schlechten Ruf, der noch in den 1990er-Jahren mit Krawall-Talkshows auf deutschen Privatsendern begründet wurde. Die Karlich-Show hat sich jedoch so lang gehalten, weil sie im ORF einen gewissen Qualitätsanspruch erfüllt und solide Unterhaltung bietet. Das Niveau hängt sehr stark von den anwesenden Gästen und den Themen ab.
Hinter der Moderatorin steht eine Redaktion, die nach meiner Erfahrung gründlich – wenn auch nicht mit wissenschaftlichem Anspruch – recherchiert. Zur Einordnung der Gäste-Äußerungen nimmt gegen Ende eine zum Thema eingeladene Expertin oder ein Experte Stellung. Das war bei manchen Themen wie Fasten – wo ausschließlich sechs Fasten-Fans miteinander diskutierten – auch dringend notwendig: Während bei anderen Themen dumme Äußerungen nur zu einem Schmunzeln führen, sind sie im Bereich der Gesundheit potenziell gefährlich.
Die Atheisten Österreich erhielten im Februar eine Anfrage aus der Redaktion, ob jemand in einer Sendung, die im März aufgenommen werden würde, mitdiskutieren möchte. Das wurde grundsätzlich bejaht und die Wahl fiel diesmal auf mich.
Das Thema war „Der Glaube versetzt Berge“. Dies ist die ungenaue Wiedergabe einer vermeintlichen Volksweisheit („Der Glaube kann Berge versetzen“), die ihrerseits auf einer Aussage aus der Bibel über etwas ganz Anderes basiert und diese auch noch aus der Möglichkeitsform holt. Der Autor des ersten Paulus-Briefes an die Korinther schreibt nämlich: „… und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts“ (1 Kor. 13:2).
Vorgespräche
Es gab zwei Telefonate mit der Redakteurin. Im ersten erfragte sie grundlegende Dinge, wie meinen Hintergrund, ob ich schon immer Atheist war, was ich von Wundern halte und wie das wäre, wenn ich eine gläubige Frau kennenlernte. Im zweiten Gespräch gab es dann noch Fragen, die Barbara Karlich und die Redaktion auf Basis der Antworten aus dem ersten Telefonat erarbeitet hatten. Hier habe ich auch klargestellt, nicht zu viel über meine Ehe mit einer Freichristin im Fernsehen erzählen zu wollen.
Die Aufzeichnung
Mitte März wurde die Sendung dann aufgezeichnet. Das Datum der Ausstrahlung ist üblicherweise zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt, außer natürlich bei datumgebundenen Themen wie Ostern.
Was zieht ein Atheist in einer Fernsehshow an? Meine Wahl fiel auf ein T-Shirt aus dem Shop der Atheisten Österreich mit dem Schriftzug FICTION, der aus Symbolen verschiedener Religionen zusammengestellt ist:
Die Redaktion bat die Gäste, mehrere Alternativoutfits mitzunehmen, die Kostümabteilung traf dann die Auswahl. Es gibt natürlich Regeln: Markenlogos und Internetadressen, selbst von gemeinnützigen Vereinen, sind nicht erlaubt, Sprüche hingegen schon. Dieses Motiv wurde akzeptiert; ich hatte dieses Shirt in unterschiedlichen Farben mit, aus denen das grüne ausgewählt wurde.
Nach der Ankunft beim ORF-Zentrum wurden wir von einem Redakteur abgeholt und gleich zum Corona-Schnelltest geführt. Wir waren alle negativ, es konnte also weitergehen. Dann wurden wir zu den vorbereiteten, desinfizierten Einzelgarderoben geführt. Ob ich zufällig die Nummer 13 bekam oder die Redaktion meinte, unter diesen Gästen hätte ich wohl am wenigsten Probleme damit, werden wir wohl nie erfahren.
Mit einem kleinen Lunchpaket (Sandwich, Mannerschnitten, Mineralwasser) wurden wir dann ca. anderthalb Stunden in den Garderoben großteils allein gelassen, um uns noch vorbereiten zu können. Die Redakteurin, mit der ich vorher zweimal telefoniert hatte, kam auch vorbei, um mir nochmal Tipps zu geben und die Verträge zu unterzeichnen.
Wie in einem realen oder eingebildeten Machtgefälle üblich waren die Verträge sehr einseitig zugunsten der Produktionsfirma formuliert. Als Gast stimmt man zu, die Aufnahmen der eigenen Person für die Sendung, aber auch für Promotionsmaterial und andere Zwecke zur Verfügung zu stellen; Anspruch auf die Ausstrahlung der eigenen Aussagen hat man aber keinen. Auch eine Klausel, über die Umstände und Inhalte der Aufzeichnung Stillschweigen zu bewahren, war enthalten. Ich könnte das hier natürlich nicht schreiben, wenn ich das unterzeichnet hätte, also strich ich es im Einvernehmen mit der Redakteurin. Sie wunderte sich sehr, anscheinend war ich in ihrer Tätigkeit bei der Show der erste, der das tat.
Eine Viertelstunde vor Beginn der Aufzeichnung wurden wir aus den Garderoben geholt und in den Aufnahmesaal geführt. Dort wurden alle mit Funkmikrofonen ausgestattet und nahmen auf den zugewiesenen Sitzen Platz. Barbara Karlich war bereits anwesend und wechselte mit den Ankommenden jeweils einige Worte. Das Fiction-T-Shirt gefiel ihr sichtlich, sie thematisierte es bereits in diesem Vorgespräch, und dann auch in der Sendung.
Dann begann die Aufzeichnung. In einer ersten Vorstellungsrunde durften alle von sich, ihrem Werdegang und ihrem Bezug zu GöttInnen erzählen. Von mir wollte Barbara Karlich wissen, ob ich als Kind in Kontakt mit Religion gekommen war, und einige Details darüber, wie ich Religion heute sehe. Meine Antwort über die kritikwürdigen Eigenschaften von Religionen war entweder zu lang oder zu radikal fürs Nachmittagsprogramm: Die Teile mit der Zwangstaufe von Kindern und religiöser Genitalverstümmelung kamen in der ausgestrahlten Sendung nicht vor.
Danach durften die anderen ihre vermeintlichen Gottes- oder ähnliche Erfahrungen im Detail erzählen. In dieser Phase fragte mich Barbara Karlich öfter, was ich davon hielt. Dies gab mir die Gelegenheit, darauf hinzuweisen, wie einfach diese Erfahrungen mit dem modernen Wissen über Psychologie und Medizin erklärbar sind und wie wenig daraus die Existenz eines konkreten (z. B. des christlichen) Gottes folgt.
Gäste
Die Verteilung der Gäste entsprach eher den Machtverhältnissen im ORF als der Bevölkerung Österreichs: Von den sechs Gästen war einer evangelischer Pfarrer, einer katholischer Diakon, und eine Mitarbeiterin der Päpstlichen Missionswerke. Dann zwei Frauen mit Gotteserfahrung und ich als einziger Atheist. Allerdings saß unter den wenigen ZuschauerInnen auch eine sehr sympathische und eloquente Studentin, die von Barbara Karlich zur Erzählung über die Wunderheilung befragt wurde. Sie erklärte kompetent und verständlich den Placebo-Effekt, der viele vermeintliche Wunderheilungen vollständig erklärt und war eine große Bereicherung für die Sendung.
Ich möchte hier die anderen Gäste nicht vorführen, deswegen beschäftige ich mich nur mit den beiden, die in ihrer Funktion oder mit ihrer Geschichte bereits in die Öffentlichkeit gegangen sind:
Jutta ist nicht irgendwer, sie war Head of International Projects bei der Missio Österreich (Päpstliche Missionswerke), derzeit organisiert sie „Priesterpatenschaften“, worüber sie auch in der Sendung berichtet hat. Die Missio „hilft“ nach eigener Darstellung „mit Gebet“ und Spenden in armen Ländern – das hört sich an, als wären „internationale Projekte“ ein zentraler Teil ihrer Tätigkeit. Es ist schwer zu glauben, dass die angebliche Jesus-Begegnung vor Jahrzehnten („Haste mal ’ne Mark für mich?“) der einzige Grund für die Einladung in die Sendung war. Die Missio neigt ja auch dazu, in ihren im ORF übertragenen Gottesdiensten vermutlich gesetzeswidrig Eigenwerbung einzuspielen (meine Beschwerde wurde von der Religionsredaktion nicht ernsthaft behandelt), insofern dürfte eine gewisse Nähe bestehen.
Alfred gehört zu jenen Menschen, die auch im 21. Jahrhundert, entgegen wissenschaftlicher Evidenz, noch daran glauben, dass ein allwissender und allmächtiger Gott auf Bitten seiner Geschöpfe seine Pläne ändert, wenn diese an speziellen Orten wie Medjugorje statt anderswo geäußert werden.
Er erzählt die Geschichte seiner Heilung gerne öffentlich: Nach einer Handverletzung soll die ihm zufolge unheilbare, schwere Krankheit – für die er selbstverständlich mein aufrichtiges Mitgefühl hat – bei einer Wallfahrt für die Heilung seiner Schwester (die dann leider gestorben ist) spontan besser geworden sein. Ich freue mich natürlich über den guten Ausgang der Geschichte. Das Problem daran ist jedoch: Laut evidenzbasierter Information können die Symptome bei richtiger Behandlung ganz verschwinden bzw. die Krankheit kann völlig ausheilen. Diese Information hätte die Redaktion schon vorbereiten können, aber vermutlich war es nicht im Sinne des Sendungskonzeptes, Gäste mit solchen Dingen zu konfrontieren. Ich habe versucht, mit Alfred Kontakt aufzunehmen, damit er öffentlich überprüfbare Belege für seine Behauptung nennt, wie z. B. die Ärztekonferenz, die er erwähnt hat. Leider hat er auf die Versuche, ihn zu erreichen, bisher nicht reagiert.
Die Ausstrahlung
Anfang April, am Dienstag nach Ostern, wurde die Sendung dann ausgestrahlt und war auch eine Woche in der Mediathek zu sehen. Aktuell ist sie noch auf Youtube.
In meinem Umfeld und bei den atheistischen bzw. humanistischen Kontakten wurde die Sendung positiv aufgenommen. Die meisten waren zufrieden mit der Moderation durch Barbara Karlich, den Fragen und der Möglichkeit, so vielen seltsamen Behauptungen öffentlich zu widersprechen. Ein wiederkehrendes Thema war: „Wow, ich hätte es nicht geschafft, so ruhig und freundlich auf diese abenteuerlichen Dinge zu antworten.“
Insgesamt können wir AtheistInnen also zufrieden sein, dass zu diesem Thema auch zwei atheistische Gegenstimmen in der Sendung die Gelegenheit bekamen, sich zu äußern, und die vermeintlichen Wunder in einen rationalen Kontext zu setzen.
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Ein sehr sachlicher, sehr guter Beitrag von Balázs. Danke.