Kreativer Kirchenaustritt

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Es hat viele Vorteile, aus einer Religionsgemeinschaft auszutreten, insbesondere, wenn man nicht einmal gefragt wurde, ob man zu dieser gehören will. Man spart sich eine Menge Geld (in Österreich 1,1 % des Einkommens z. B. bei der römisch-katholischen Kirche), und wird nicht mehr als Mitglied einer Organisation gezählt, die immer danach getrachtet hat, Gesellschaft und Staat zu unterwandern, z. B. um zusätzliche Gelder auch von Nichtmitgliedern zu bekommen oder die abscheulichsten Verbrechen vertuschen zu können.

Austritt bei staatlichen Stellen

In Österreich und auch in Deutschland ist gesetzlich geregelt, dass der Kirchenaustritt bei staatlichen oder regionalen Behörden erfolgt. In Österreich ist das gratis, in Deutschland verlangen die Behörden Gebühren. Der „Eintritt“ findet ja in den größten Religionsgemeinschaften in fast allen Fällen durch eine Zwangstaufe, die von den Eltern an Kleinkindern vorgenommen wird, statt. Aber zumindest für den Austritt kann sich jedes „Mitglied“ ab dem 14. Lebensjahr (Beginn der Religionsmündigkeit) frei entscheiden. Über 620.000 Menschen traten in den letzten zehn Jahren allein aus der römisch-katholischen Kirche Österreichs aus, mehr als ein Zehntel der ehemaligen Mitglieder Ende 2012. Wer sich dafür entscheidet, ist also in guter Gesellschaft. Selbst in kleinen Gemeinden am Land kann man das bereits vertreten, es gibt genug Argumente dafür.

Es ist nur ein bisschen langweilig und mainstream, sich zügig und problemlos in einem Magistrat, Gemeindeamt oder online mit wenigen Klicks von einer Gruppe abzumelden, die ein totalitäres Weltbild vertritt, und dabei Menschen, die davon nichts wissen wollen, als Mitglieder ausgibt und für sich reklamiert. Was gibt es also für außergewöhnliche, kreative Möglichkeiten, um diese Mitgliedschaft zu beenden? Solche, die nebenbei die ganze Absurdität des Konzepts der aufgezwungenen Religion demonstrieren?

Enttaufen

Die Taufe ist eine symbolische Handlung. Ihr ursprünglicher „Sinn“ war, die Sünden (ein erfundenes Konzept) eines Menschen wegzuwaschen. Dazu hat man sich ursprünglich in fließendes Wasser, einen Fluss, begeben. Heutzutage gibt es jede denkbare Variante davon. Manche Abspaltungen von Abspaltungen des Christentums bestehen darauf, dass das Wasser zwar nicht fließen muss (was die Homöopathie über verdünnte Sünden sagt, ist nicht bekannt, wäre mal spannend), aber ein komplettes Untertauchen notwendig ist; andere legen es darauf an, Säuglingen ein Nahtoderlebnis zu geben (was gelegentlich schiefgeht); wieder andere gießen einfach nur ein paar Tropfen auf den Kopf der Opfer. Keine von diesen Gruppen, die sich ja nicht einmal über die Kernpunkte einig sind, kann ernsthaft behaupten, dass eine physische, messbare Wirkung vom Ritual ausginge. Sie geben stattdessen übernatürliche „Erklärungen“ (Behauptungen) an, benötigen z. B. exakt die richtigen Zauberworte.

Wenn es die Taufe als symbolisches Ritual zur Etablierung einer Mitgliedschaft gibt, wäre es nur logisch, sie – und damit die „Mitgliedschaft“ – rückgängig machen zu können. Dies kann etwa mit einem Fön geschehen, sowohl im privaten Rahmen, als auch in Gruppen

Ich habe bei der „Kontaktstelle der katholischen Kirche“ in Erfahrung bringen wollen, ob das hilft, mit folgender Anfrage:

Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe an einem Enttauf-Ritual teilgenommen und ein Zertifikat erhalten, das das bestätigt. Somit ist meine Mitgliedschaft in der katholischen Kirche gegenstandslos geworden und widerrufen. Ich bin nicht mehr katholisch getauft. Wie schauen die nächsten Schritte aus? Wo kann ich die Bestätigung hinsenden? Können Sie den Austritt bestätigen? Leider werden diese Fragen auf der FAQ-Seite nicht beantwortet. Mit freundlichen Grüßen, (erfundener Name)

Die Kontaktstelle ging nicht auf den Inhalt der Anfrage ein, sie verwies nur auf das „magistratische Bezirksamt“ für den Austritt und bedauerte den Wunsch, die Kirche zu verlassen. Dies scheint also in Österreich (noch?) kein gültiger Weg zum Austritt zu sein. Auf die eigentlichen Fragen, also ob die Kirche die Enttaufung als gültiger Widerruf der Taufe ansieht, kam keine Antwort.

Wiedertaufen

Wenn eine Taufe laut christlicher Lehre gut und notwendig ist, was ist mit zwei Taufen? Bei der römisch-katholischen Kirche geht das gar nicht („Fähig zum Empfang der Taufe ist jeder und nur der Mensch, der noch nicht getauft ist.“ – Codex des Kanonischen Rechtes, Can. 864). Das Kirchenrecht scheint aber nicht zu regeln, was diese erneute Taufe oder ihr Versuch für Folgen nach sich zieht. Das ist einigermaßen überraschend, weil im Mittelalter und bis in die Neuzeit die Wiedertaufe (also die freie Entscheidung von Menschen, sich als Erwachsene zu den christlichen Göttern zu bekennen) gnadenlos verfolgt und dort, wo die Kirche das durchsetzen konnte, mit grausamen Todesarten bestraft wurde. 

Bei der evangelischen Kirche in Deutschland findet sich folgende Formulierung: „Mit einer Wiedertaufe geschieht die Trennung von der Landeskirche“ (Amtsblatt der Evangelischen Kirche in Deutschland, Seite 40, 10. (3)), eine deutliche Ansage. Wer in Deutschland als Mitglied der evangelischen Kirche ausgerechnet mit der Wiederholung des Rituals, das ihr/ihm die ganze Problematik eingebrockt hat, den Austritt versuchen möchte, soll bitte ihre/seine Erfahrungen mit uns teilen. So wie sich die Formulierung im Amtsblatt der evangelischen Kirche anhört, geht das schneller und kostet eventuell weniger als die Terminvereinbarung und der Austritt am Amt. Für Österreich findet sich aber auf der evangelischen Kirchenrechtsseite nichts Entsprechendes.

Exkommunikation

Etwas aussichtsreicher schaut im Falle der römisch-katholischen Kirche die Exkommunikation aus. Im Mittelalter kam das einem Todesurteil nahe, weil Exkommunizierte in den katholischen Halb-Theokratien keine Rechte mehr besaßen. Heute entfaltet sie jedoch nur mehr innerhalb der Kirche Wirkung. Wer exkommuniziert wurde, darf z. B. nicht mehr „Sakramente“ empfangen, etwa die Kommunion (Can. 1331). Es gibt aber keine klare Aussage dazu, ob die Exkommunikation zu einem Ausschluss aus der Kirche führt. Can. 316 lässt sich dahingehend interpretieren, dass ein Eintritt nicht möglich ist. 

Wer es trotzdem probieren möchte, zum Beispiel weil die Verwandten einen zu kirchlichen Handlungen nötigen wollen, sollte dafür keine Gewalt gegen den Papst anwenden (Can. 1370), und auch keine geweihten Hostien wegwerfen (Can. 1367). Einfacher scheint es laut Can. 1364 zu gehen: „Der Apostat, der Häretiker oder der Schismatiker ziehen sich die Exkommunikation als Tatstrafe zu, …“. Aber wie wird man A., H., oder S.? Apostasie ist die öffentliche Abwendung von einer Religion (zum Beispiel der Kirchenaustritt), Häresie die Verbreitung ketzerischer Lehren, Schisma eine Kirchenspaltung. Der Schwierigkeitsgrad scheint in dieser Reihenfolge anzusteigen. Es ist aber schwierig, sie (bis auf den Kirchenaustritt, aber der ist ja langweilig) im Einzelfall nachzuweisen. Es braucht vielleicht klarere und eindeutigere Aktionen, bei denen kein Ermessungsspielraum besteht.

Man könnte naiverweise annehmen, dass die Vergewaltigung eines Kindes im Jahre 2023 unserer Zeitrechnung so eine Aktion sein sollte. Doch weit gefehlt. Dies hat für Priester nur ein Berufsverbot zur Folge. Aber es gibt deutlich schwerere Verbrechen im Kirchenrecht, die die Exkommunikation, also die Höchststrafe nach sich ziehen. Einen Schwangerschaftsabbruch durchführen (Can. 1398) kann und sollte man nur mit medizinischer Ausbildung. Aber vor kurzem wurde in einer Reform ein neues Verbrechen eingeführt: „Jeder, der einer Frau die heilige Weihe zu spenden versucht, wie auch die Frau, welche die heilige Weihe zu empfangen versucht,“ wird exkommuniziert (Can. 1379 § 3). Dies scheint am einfachsten umzusetzen zu sein. Der Versuch ist ja nicht an eine Form gebunden. Ich versuche hiermit, allen Frauen, die das lesen und einverstanden sind, die heilige Weihe zu spenden, bumm, fertig. Diese Handlung ist viel klarer definiert als „Apostasie“, und kann gegenüber unkooperativen Tanten und Großmüttern, die darauf bestehen, dass man doch bitte kirchlich heiraten oder die Kinder taufen lassen soll, als Gegenmittel erwähnt werden. Als gute Katholikinnen müssen sie schließlich das Kirchenrecht kennen.

Aber auch hier stellen sich viele Fragen. Zuerst die, dass man die Handlung, die zur Exkommunikation führen soll, der römisch-katholischen Kirche mitteilen muss. Reicht dafür etwa das erwähnte Kontaktformular? Müssen die Leute dort von Amts wegen tätig werden? Ich werde das nicht ausprobieren. Wie die Kirche reagiert, ist ungewiss; wie lang das Verfahren dauert, auch, selbst wenn es irgendwann wirklich zum gewünschten Ende, also zur Erklärung der Exkommunikation führt. Und es ist auch offen, ob in der gravierenden rechtlichen Fehlkonstruktion, die die Regelungen zu Beitritt und Austritt in Österreich darstellen, überhaupt eine Meldung der Kirche an die Behörden zum Austritt (statt umgekehrt) vorgesehen und möglich ist. 

Diese Art des Austritts verspricht für Menschen mit speziellen Interessen und viel Durchhaltevermögen vermutlich den höchsten Gewinn im Ansinnen, die Idiotie sowohl des Kirchenrechts als auch der österreichischen Gesetze zum Kirchenaustritt aufzuzeigen. Eine Garantie auf Erfolg gibt es jedoch nicht. Wenn z. B. die Kirche die Exkommunikation erklärt, aber einen weiter als Mitglied führt und Mitgliedsbeiträge vorschreibt, müsste der Rechtsweg wohl zum Verfassungsgerichtshof führen.

Änderung der Religionszugehörigkeit

Theoretisch wäre statt eines Austritts auch der Übertritt zu einer anderen Religionsgemeinschaft möglich. Zumindest in Österreich kann man ja nur zu einer solchen Gemeinschaft gehören; wenn die Religionsgesellschaft also gegenüber dem Staat den Eintritt erklärt, gilt dies automatisch auch als Austritt aus der anderen. In der Praxis haben die meisten anerkannten Religionsgemeinschaften nicht die dafür notwendigen Abläufe, weil sie keinen Kirchenbeitrag vorschreiben, wodurch sie an einer aufwändigen Mitgliederverwaltung auch kein Interesse haben. Es kann also klappen, aber die vernünftigeren Religionsgesellschaften kämpfen noch um die Anerkennung oder haben diesen Kampf sogar schon verloren.

In Deutschland endet die Kirchensteuerpflicht bei der ursprünglichen Kirche auch dann, wenn man zu einer anderen „steuerberechtigten Religionsgemeinschaft“ übertritt. Vom Regen in die Traufe also, abgesehen von einer gewissen Genugtuung, es speziell der „eigenen“ Kirche und ihren Vertretern heimgezahlt zu haben. Dann muss man später halt aus der anderen Religionsgemeinschaft austreten. Oder wechselt alle paar Monate und trägt damit zu noch höheren Austrittszahlen bei.

Fazit

In Österreich ist es tatsächlich am einfachsten, den Kirchenaustritt über den offiziellen Weg zu bestreiten. Das ist die klassische, nicht sehr kreative, aber schnelle und sichere Lösung. Ob man sich dann noch selbst mit dem Fön enttauft, bei einer Feier enttaufen lässt, oder versucht, eine Frau (mit ihrem Einverständnis!) zum Priester zu weihen, steht natürlich jeder/m frei. Solche Aktionen könnten helfen, dem Umfeld wirklich zu zeigen, was man von ihrer verbalen Aggression und dem Kleinreden des Kirchenaustritts und der Abwendung von der aufoktroyierten, auf Lügen und schwachsinnigen Behauptungen basierten Religion hält.

In Deutschland ist die Situation etwas anders. In Zeiten mit vielen Kirchenaustritten (also eigentlich seit Jahren ständig) ist es teilweise schwierig oder unmöglich, die Termine für den Austritt zu vereinbaren. Ein Online-Austritt ist noch nicht in Sicht. Einen möglichen Weg zeigt die evangelische Kirche mit der Wiedertaufe auf. Und für Noch-nicht-Ex-KatholikInnen hält das vatikanische Kirchenrecht einige Möglichkeiten bereit, die vielleicht sogar schneller klappen könnten als der staatlich sabotierte offizielle Weg zum Kirchenaustritt.

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