Kann man mit dem Kirchenbeitrag Gutes unterstützen?

Facebook
Twitter
LinkedIn
Telegram
WhatsApp
0
(0)

Ein häufiges Argument für den Kirchenbeitrag ist, dass die Kirche auch Dienste für die Allgemeinheit erbringt: Sie betreibt Krankenhäuser, Schulen und Kindergärten und ist im karitativen Bereich tätig. Das suggeriert auch die Webseite kirchenbeitrag.at. Ohne Kirchenbeitrag fielen diese Dinge weg, bzw. der Staat müsste sie bezahlen. 

Der Staat unterstützt die anerkannten Religionsgemeinschaften (neben anderen Zuwendungen) mit der steuerlichen Absetzbarkeit der Kirchenbeiträge. Das kommt jedoch nicht allen Menschen gleich zugute: Für kleine Einkommen, die nur wenige Prozent ihres Einkommens als Einkommensteuer zahlen, fällt sie kaum ins Gewicht, und die Absetzbarkeit ist auf 400 € beschränkt, wodurch höhere Gehälter wieder weniger entlastet werden. Nur in einem schmalen Einkommenssegment erreicht die Steuerersparnis etwas über 40 % des Kirchenbeitrags.

 

In der Kategorie „Dienste für die Allgemeinheit“ konkurrieren der Staat bzw. Gemeinden mit den Kirchen, aber auch mit nichtreligiösen Organisationen der Zivilgesellschaft. Insofern ist es sinnvoll, sich anzuschauen, auf welche Weise eine Zahlung der Allgemeinheit am meisten zugutekommt. Schließlich würde, wenn eine Kirche nicht mehr einen Kindergarten betreibt, die Gemeinde oder der Staat (über die Verteilung der Steuereinnahmen) diese Aufgabe genauso übernehmen können. 

Münzen mit Fragezeichen
Ist der Kirchenbeitrag wirklich so wichtig für die Allgemeinheit, wie viele behaupten?

Die Katholische Kirche Österreichs publiziert Rechenschaftsberichte, aus denen hervorgeht, welcher Anteil ihrer Einnahmen aus dem Kirchenbeitrag kommt, und wofür das Gesamtbudget aufgewendet wird.

Einnahmenseitig ist der Kirchenbeitrag mit 74,9 % der größte Posten. „Staatliche Wiedergutmachung“ (für angeblich erlittene Schäden in der NS-Zeit, aber zeitlich unbegrenzt, sicherlich schon mehrfach überbezahlt) mit 7,7 % und „Subventionen und Zuschüsse“ mit 2,7 %, die von der Allgemeinheit getragen werden (und das für eine Kirche, die weniger als die Hälfte der Bevölkerung in Österreich repräsentiert), sind weitere Kategorien, neben Mieteinnahmen und weiteren Einnahmen aus der Tätigkeit der Kirche.

Von den Ausgaben gehen 83,7 % in Pfarren, pastorale Aufgaben und „Leitungs- und Organisationsaufgaben“. Diese sind wohl eindeutig Leistungen für die Organisation und die Mitglieder, nicht die Allgemeinheit. Die anderen Kategorien, die zumindest teilweise Leistungen für die Gesellschaft erbringen, sind:

  • Bildung, Kunst und Kultur: 12,5 %. Mit etwas Wohlwollen kann man schätzen, dass die Hälfte davon wirklich der Allgemeinheit, und nicht nur den eigenen Mitgliedern zugutekommt. Was die Kirche unter Bildung versteht, deckt sich ja nicht hunderprozentig mit dem Bildungsideal eines säkularen Staates.
  • Soziale und karitative Aufgaben: 2,3 % („Die Kirche tut so viel für die Armen“). Wir werden naiv annehmen, dass das tatsächlich alles an Bedürftige geht und nichts davon für Missionierung verwendet wird.
  • Weltkirche und Entwicklungshilfe: 1,5 %. Die letzte absolutistische Monarchie in Europa (der Vatikan) muss auch von etwas leben, hier gehen wir mangels genauerer Zahlen wieder davon aus, dass die Ausgaben sich etwa halb-halb zwischen der internationalen Dachorganisation und tatsächlicher Entwicklungshilfe verteilen.

Wir sehen also:
Mit den genannten Annahmen sind nur 15,55 % der Leistungen der Katholischen Kirche (12,5 % + 2,3 % + 0,75 %) solche, die der Allgemeinheit zugute kommen. Selbst wenn etwa bei der Bildung ein höherer Anteil nachgewiesen werden sollte, hebt das den Prozentsatz keinesfalls über 20 %. Aber vielleicht ist der echte Prozentsatz auch noch niedriger.

Das heißt, dass der Kirchenbeitrag einerseits zu über 90 % die Organisation finanziert, andererseits aber dem Staat Steuereinnahmen entgehen, die deutlich über der Leistung der Kirche für die Allgemeinheit liegen. 

Das lässt sich konkret berechnen, wenn man für verschiedene Einkommensbeträge den tatsächlich auf die genannten Leistungen der Kirche entfallenden Teil mit dem Steuerausfall (alternative Finanzierung der selben Leistungen) vergleicht. Hierbei zeigt sich, dass fast im gesamten Bereich normaler Einkommen der Kirchenbeitrag, der von der Steuer abgesetzt wird, einen Verlust für die Allgemeinheit bedeutet.

Diagram zum Kirchenbeitrag
Die Balken zeigen den Effekt der steuerlichen Absetzbarkeit des Kirchenbeitrags. Ein roter Balken beim jeweiligen Einkommen bedeutet, dass so viel weniger Mittel fürs Allgemeinwohl zur Verfügung stehen, wenn man Kirchenbeitrag zahlt und dieser von der Einkommensteuer abgesetzt wird.

Einerseits gilt das nicht bei sehr kleinen Einkommen, die noch nicht der Steuerpflicht unterliegen (aber oft auch von der Kirchensteuer befreit sind), andererseits bei wirklich hohen. Die Grenze, ab der die Leistungen der Kirche an die Allgemeinheit tatsächlich größer werden als das, was dem Staat, der die Leistungen alternativ erbringen könnte, zur Verfügung stünde, liegt irgendwo bei 135.000 € Bemessungsgrundlage (~ 140.000 € Jahresbruttoeinkommen). Beim Medianeinkommen (Statistik Austria, 2018) von 42.448 € Brutto/Jahr (entspricht etwa 34.800 € Bemessungsgrundlage) verliert die Allgemeinheit mehr als 90 €. Für alle Einkommen zwischen den Extremen gilt: Wer Kirchenbeitrag zahlt, um soziale und karitative Zwecke zu unterstützen, könnte das mit einem Kirchenaustritt und einer Spende in der Höhe des vormals bezahlten Kirchenbeitrags – oder auch weniger – an eine karitative Organisation eigener Wahl besser erreichen.

Wie hilfreich war dieser Beitrag?

Klicke auf die Sterne um zu bewerten!

Es tut uns leid, dass der Beitrag für dich nicht hilfreich war!

Lasse uns diesen Beitrag verbessern!

Wie können wir diesen Beitrag verbessern?

Facebook
Twitter
LinkedIn
Telegram
WhatsApp
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments
0
Wir würden gerne deine Gedanken dazu erfahren. Bitte schreib uns ein Kommentar.x

Jetzt Abonnieren!

Neue Artikel sofort als E-Mail erhalten!*

*Du musst deinen Eintrag bestätigen um den Newsletter zu bekommen. Schau auch im Spam Ordner nach.