Betrüger als Religionsgründer

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Das historische Defizit der Regulierung von Religionsgemeinschaften und die Akzeptanz der schwachsinnigsten Inhalte führten und führen regelmäßig dazu, dass Betrüger erkennen, ihre Machenschaften am leichtesten als Religionsgemeinschaft durchführen zu können.

Joseph Smith, der Gründer der „Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage“, besser bekannt als Mormonen, war vor der Gründung seiner Kirche bereits verurteilter Betrüger. Dies war aber kein Hindernis für ihn. Mit seinem Charisma fand er genug Menschen, die wundersame Dinge bei der Niederschrift seiner Bücher bezeugten und damit eine sehr problematische, auf widersprüchlichen und erwiesenermaßen konstruierten Texten basierende, heute steinreiche Religionsgemeinschaft gründeten.

Ein anderer verurteilter Betrüger ist unser Zeitgenosse. Im Gefängnis „fand er zu Jesus“ (= erkannte, dass man leichtgläubige Menschen als Kirche leichter ausnehmen kann) und gründete seine Gemeinde in Brooklyn, New York. Natürlich entsprach seinem Verständnis von Christentum das „Wohlstandsevangelium“ am besten, also die Lüge, dass man möglichst viel von seinem Vermögen an die (= seine) Kirche spenden solle, weil Gott alles siebenfach zurückzahle. Vor kurzem wurde er in seinem, live im Internet übertragenen, Gottesdienst von Bewaffneten überfallen, die seinen Schmuck mitnahmen, angeblich Millionen wert. Sogar teure Halsketten, die er unter seiner Kleidung trug. Wozu? Nicht nur ein Kommentator meinte, dass die Aufnahme eine schlecht gespielte, unglaubwürdige Situation enthält, die mit Versicherungsbetrug leichter zu erklären ist als mit einem echten Überfall.

Das katastrophale System der Kranken- und Sozialversicherung in den USA wird durch Menschen, die leichtgläubige Christen ausbeuten, noch verschlechtert. Sogenannte „health care sharing ministries“, über die auch John Oliver bereits berichtete, tun so, als wären sie eine Alternative zu einer richtigen Krankenversicherung — sie sind es nur nicht. Die Beiträge der Mitglieder werden zu einem Großteil in Gewinne für die Besitzer umgewandelt, mit dem kleineren Teil werden teilweise medizinische Rechnungen bezahlt — aber nur solange die Mittel reichen und häufig mit schlecht erfundenen Begründungen abgelehnt.

Als letztes Beispiel sollen Organisationen dienen, die die sehr lockeren Regelungen über Religionsgemeinschaften in den USA ausnutzen und sich als Kirche deklarieren. Vereine und Gruppen, die nicht auf Gewinn ausgerichtet sind, müssen sich in den USA beim Finanzamt registrieren und jährlich über ihre Finanzen informieren — aber nicht, wenn sie behaupten, eine Kirche zu sein. Damit können z. B. Organisationen im christlich-nationalistischen Bereich Transparenz vermeiden und dunkle Machenschaften verdecken.

Aufgaben für Menschen mit gesundem Rechtsempfinden

Die genannten Beispiele zeigen, wie schwach die demokratischen Staaten bisher gegenüber denjenigen sind, die sich auf die Religionsfreiheit berufen, um sich über Gesetze, die für alle gelten, hinwegzusetzen. Sicherlich handelt es sich um extreme Beispiele, aber die grundlegende Haltung ist die gleiche: Ich handle im Namen meiner Religion, also richtig, und das steht über den Gesetzen.

Wie immer ist der Satanisten-Test in der Beurteilung hilfreich: Wie würden jene, die für diese Dinge argumentieren, es finden, wenn die Church of Satan

  • den Tod für monogam lebende Heterosexuelle fordert,
  • „Jesus Christ Superstar“ mit Satan als Protagonisten umschreibt und aufführt,
  • oder eine Fake-Krankenversicherung gründet, die christlichen Mitgliedern empfiehlt, dafür zu beten, dass Gott ihre Krankenhausrechnungen bezahlt?

Unbelegte Behauptungen, mit denen man rechtfertigt, über den Gesetzen zu stehen, haben keine große Zukunft. Wir müssen aber noch wachsam sein und Beispiele für dieses Verhalten aufzeigen. Wir können uns zunehmend sicher sein, dass zumindest die Justiz auf unserer Seite ist. Und selbst wenn es (noch) nicht klappt: Privilegien sind den Religionsgemeinschaften am liebsten, wenn niemand über sie Bescheid weiß. Deswegen gehören sie öffentlich gemacht und kritisiert. Eine Gesellschaft ist dann gerecht, wenn die Regeln für alle gelten. 

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