Statistiken der katholischen Kirche 2020-2021

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Mitte Jänner erscheinen regelmäßig die neuen Statistiken der katholischen Kirche in Österreich. Diese Organisation mit einem Jahresbudget von ca. 640 Mio. € schafft es weiterhin nicht, für die meisten Kennzahlen einigermaßen aktuelle Daten zu liefern: Im Jänner 2022 veröffentlicht sie also für 2021 nur die Zahl der „Katholiken“ (inkl. zwangsgetaufte Babys und Kinder) und die Austritte als vorläufige Zahlen, alle anderen Angaben jedoch für 2020. Moderne Unternehmen mit einem Bruchteil dieses Umsatzes wissen normalerweise tagesaktuell, wie viele Kunden sie haben und wie viele Leistungen sie verkaufen konnten — aber nicht die katholische Kirche.

Das Schauspiel ist jedes Jahr das gleiche: Kathpress veröffentlich die Zahlen und das kirchliche Narrativ dazu, Bischöfe erklären, dass ihnen jeder einzelne Austritt weh tut und sie sich jetzt aber wirklich mit den Gründen beschäftigen müssen, verweisen aber auf die tolle Arbeit, welche die Kirche leistet. (Worüber 1,2 bis 1,5 % der Mitglieder jedes Jahr offensichtlich anderer Meinung sind.)

Welche Medien nur die Presseaussendung abschreiben, merkt man am besten an der Formulierung „von ihrem Recht auf Widerruf Gebrauch … machen“. Das beschreibt immer noch folgenden Vorgang: Jemand erklärt in einem Magistrat, Bezirksamt oder online seinen/ihren Austritt; die Kirche bekommt diese Information und kontaktiert die Person, z. B. schickt sie einen Brief, in dem sie nochmal ihre Leistungen betont und mehr oder weniger versteckt mit negativen Konsequenzen droht; die Person, die ausgetreten ist, tritt wieder ein. Das wirkt bei weniger als einem Prozent der Ausgetretenen, über diese sagt die Kirche, sie hätten „von ihrem Recht … Gebrauch gemacht“. Ein gesetzliches Recht auf „Widerruf des Austritts“ existiert nicht, der Eintritt findet ja nicht bei den staatlichen Stellen statt, bei denen der Austritt erklärt wird. Dieser „Widerruf“ ist also ein Neueintritt in den ersten drei Monaten nach dem Austritt, der einfach nur separat ausgewiesen wird.

Diese Formulierung findet sich etwa bei religion.orf.at, wo man sonst auch gerne Material von Kathpress unkritisch übernimmt. 

Eine besonders entlarvende Formulierung bei Kathpress ist: „Zu jener Zahl an Personen, die aus freien Stücken der katholischen Kirche beitreten, müssen auch noch jene hinzugezählt werden, die sich im Erwachsenenalter (ab 14 Jahren) taufen lassen.“ In Wirklichkeit sind nur diejenigen, die sich ab 14 Jahren taufen lassen, religionsmündig und können frei entscheiden; bei der großen Mehrheit entscheiden die Eltern. Das ist also, zu Ende gedacht, ein blumiger Hinweis darauf, dass nur eine kleine Minderheit aus freien Stücken der katholischen Kirche beitritt.

Austritte deutlich gestiegen

Wie schauen nun die Zahlen aus? Die Anzahl der Austritte ist 2021 gegenüber 2020 stark angestiegen, die Kirche erklärt das damit, dass es 2020 einen pandemiebedingten Rückgang gegeben hätte. Konkret waren es 72.055 Austritte (vorläufig, wird nächstes Jahr noch still nach oben korrigiert), das ist die zweithöchste Zahl, die jemals verzeichnet wurde. Der Rekordwert, fast 86.000 Austritte, wurde 2010 erreicht, als die Kindesmissbrauchsskandäle intensiv diskutiert wurden. Seither sind die Austritte konstant auf einem deutlich höheren Niveau als vorher, und in der Tendenz leicht steigend, trotz immer geringer werdender Basis. Interessant ist daher auch der Prozentsatz der Austritte an den verbliebenen Mitgliedern, der seit 2013 immer über 1 % war und 2021 1,49 % erreicht hat. 

Austritte aus der katholischen Kirche 2012-2021

Das Diagramm zeigt die absolute Zahl der Austritte in den letzten 10 Jahren. Selbst im Corona-Jahr mit den schwierigeren Bedingungen für den Austritt war der Wert höher als zwischen 2012 und 2017.

Weitere Rekordzahlen der Austritte werden wohl dann erreicht, wenn in Österreich endlich auch eine komplette, unabhängige Aufarbeitung der sexuellen Gewalt gegen Kinder und Jugendliche durch Angehörige der katholischen Kirche stattfindet. Noch ist der gesellschaftliche Druck dafür nicht groß genug, und die Republik nimmt ihre Verantwortung in diesem Bereich vorerst nicht wahr.

Zu den Austritten kommt das Verhältnis zwischen Taufen (Neumitglieder, ob freiwillig oder von den Eltern „zwangsbeglückt“) und Begräbnissen, wobei natürlich nicht jedes Kirchenmitglied auch kirchlich bestattet wird. Es war bereits 2019 absehbar, dass ab 2020 nicht einmal mehr die Hälfte der Kinder in Österreich katholisch getauft wird; coronabedingt fiel der Anteil 2020 abrupt auf 37,5 %. Währenddessen sterben eher Altersgruppen mit einem höheren Anteil an Kirchenmitgliedern. Dies ist also ein weiterer Grund für den Mitgliederschwund der katholischen Kirche. Haupttreiber des Mitglieder-Rückgangs sind aber mit großem Abstand die Austritte.

Es ist klar, dass Ereignisse wie Taufen, kirchliche Hochzeiten sowie Erstkommunion und Firmung seit dem Auftreten von Covid-19 oft abgesagt werden. Der Rückgang der kirchlichen Eheschließungen um fast zwei Drittel (63,5 %; 2019: 9.842, 2020: 3.595) ist jedoch wesentlich größer gewesen als jener der echten Eheschließungen laut Statistik Austria (13,8 %; 2019: 46.034, 2020: 39.662). Somit wurde nicht einmal jede zehnte Ehe im Jahr 2020 katholisch geschlossen, dies wird wohl in den den nächsten Jahren auch kaum noch nachgeholt werden.

Finanziell geht es der Kirche weniger schlecht. Trotz Einkommensverlusten durch pandemiebedingte Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit konnte sie von weniger Mitgliedern mehr Kirchenbeitrag einnehmen als im Jahr davor: Die Summe stieg von 481 Mio. € (2019) auf 484 Mio. € (2020). Der Beitrag pro Mitglied (vom Baby bis zur Mindestpensionistin) stieg also von 96,50 auf 98,67 €, was natürlich nur ein Durchschnittswert über alle ist. Die Anzahl der tatsächlich zahlenden Personen ist nicht ausgewiesen.

Stärker, um 10 %, stieg die staatliche „Wiedergutmachung“, von 50,2 Mio. auf 55,3 Mio. € nach Angaben der Kirche. 

Schneller als die Anzahl der Mitglieder sinkt die Zahl der Priester: Um 141 auf 3.548, das ist ein Rückgang um 3,8 %. Noch gibt es mehr Priester als Pfarren (3.016).

Diesmal ohne grafische Manipulation

Anfang 2021 bemängelten wir die falschen und manipulierenden Darstellungen verschiedener Diagramme. Diesmal wurden solche Probleme vermieden; das konzentrische Kreisdiagramm der Mitgliederzahlen ist zwar eine fragwürdige Wahl, aber zumindest nicht so falsch wie die Darstellung, die vor einem Jahr gewählt und nie korrigiert wurde. Andere Diagramme zeigen diesmal die richtigen Zahlen und Achsenbeschriftungen in der korrekten Reihenfolge, auch ohne unsere Hilfestellung.

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Sind bei diesem Jahresbudget auch die staatlichen Ausgaben für konfessionelle Religionslehrer und universitären Theologen dabei sowie der zahllosen kirchen „Institute“ und „Forschungseinrichtungen? In Summe macht das ungefähr eine Milliarde Euro pro Jahr aus.

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