Ein tödliches Religionsproblem in Indien … und überall

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Erst haben wir noch gelacht und eine öffentliche Warnung ausgesprochen, dass Kuhdung nicht vor Covid-19 schützt. Doch es wurde immer ernster. Religiöse Dummheit tötet oder verstümmelt Menschen.

Indien wird aktuell von einer hindu-nationalistischen Partei unter Premierminister Narendra Modi regiert. Dies entspricht etwa einer verschärften Variante der „christdemokratischen“ Parteien (mit Defiziten in beiden Kategorien) in Mitteleuropa: Die dominante Religion wird als identitätsstiftend und als Norm dargestellt, was natürlich zu Lasten von religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten geht.

Im März lud Modi in ganzseitigen Zeitungsanzeigen die gläubigen Hindus ein, am Kumbh-Mela-Fest teilzunehmen, und bezeichnete die Teilnahme als „sauber“ und „sicher“. Millionen folgten dem Aufruf; allein am 12. April badeten 3,1 Millionen Leute im ohnehin schon stark verschmutzen Ganges. Getestet wurde kaum.

Wir wissen jetzt, dass durch diese Festivitäten Covid-19 in alle Gebiete Indiens getragen wurde. Eine beispiellose Welle von Toten folgte, das indische Gesundheitssystem kollabierte. Der Guardian hat dies ausführlich beschrieben und belegt.

Die heute als Delta-Variante bezeichnete Mutation von Covid-19 nahm in Indien ihren Ausgang, und wegen der massenhaften Ansteckungen konnte sie nicht aufs Entstehungsland eingegrenzt werden. Diese Variante ist ansteckender und für junge Menschen gefährlicher als andere Varianten — auf die vielen tausenden Toten in Indien folgten und folgen nach wie vor Abertausende auf der ganzen Welt. Modis religiöser Leichtsinn und die Verblendung der Gläubigen fordern überall Menschenleben.

Und es wird noch schlimmer

Speziell in Indien kam eine zusätzliche Komplikation hinzu: eine Pilzerkrankung namens Mukormykose. Die Ärzte mussten nicht lang suchen, um zu erkennen, warum diese Krankheit vor allem in Indien auftrat: Nur dort wurde der idiotische Rat, sich mit Exkrementen der „heiligen“ Kühe einzuschmieren, befolgt.

Die Folge ist, dass Leuten, die die Covid-19-Infektion überstanden hätten, in so schon überlasteten Krankenhäusern die Augen entfernt werden mussten, um ihr Leben zu retten. Ihre Religion hat sie nicht nur seelisch, sondern auch körperlich geschädigt, diesmal für immer. (Die seelischen Schäden lassen sich häufig durch die Abkehr von der Religion rückgängig machen.)

Es gab natürlich Stimmen der Vernunft: Erendro Leichombam und Kishorechandra Wangkhem schrieben auf Facebook, dass Kuhdung kein Mittel gegen Covid-19 ist, und verwiesen auf Wissenschaft und Vernunft. Beide sitzen seit 13. Mai im Gefängnis. Indien hat ein „Sicherheitsgesetz“ aus Kolonialzeiten, das den Behörden ermöglicht, Menschen bis zu 12 Monate lang ohne Anklageerhebung und Gerichtsverfahren festzuhalten. 

Was wir hier haben, ist eine unheilige Allianz aus Religion und Staatsmacht — eine (aktuell noch unvollständige) Theokratie. Unbegründete, der modernen Wissenschaft widersprechende religiöse Lehren lösen eine tödliche Katastrophe aus, für Gläubige und nur indirekt Beteiligte. Das Fehlen jeglicher Fähigkeit, mit sachlicher Kritik umzugehen, ein gemeinsames Merkmal von Religionen und religiös oder esoterisch beeinflussten PolitikerInnen, führt zu Machtmissbrauch. Helden der Vernunft, deren Empfehlungen nachweisbar Leid vermeiden würden, werden unterdrückt und bestraft. Indien ist aktuell kein Rechtsstaat.

Kein speziell hinduistisches Problem

Sind andere Religionen vernünftiger im Umgang mit potenziell infektiösem Verhalten? Natürlich nicht. Die Versammlung der Southern Baptist Convention (rassistische, Covid-19-leugnende, Trump für den gewählten Präsidenten haltende Evangelikale in den USA) sorgte für eigene Cluster, orthodoxe Christen in Österreich spenden die Kommunion mit einem gemeinsamen Löffel, an Corona erkrankte Pfarrer verteilen Hostien und lösen einen Cluster aus, und für Katholiken gehört das Küssen von Reliquien zum guten Ton. Jesus‘ fiktives Blut, mit Keimen „belebtes“ Weihwasser und Kuhurin sind letztendlich dieselbe Kategorie: Sie versprechen magische Schutzwirkung. Kühe anbeten und segnen sind verwandte Konzepte der wirkungslosen Zauberei.

Im orthodoxen Judentum saugt der Mohel (professioneller ritueller Knaben-Genitalverstümmeler) das Blut der verletzten Babys mit dem Mund aus. Diese Kinder hätten wirklich ein besseres Schicksal verdient. Das perverse Ritual führt zu dokumentierten Übertragungen von Herpes und toten Säuglingen. Ultraorthodoxe JüdInnen in New York und Jerusalem haben sich geweigert, Massnahmen gegen Covid-19 einzuhalten und damit große Cluster verursacht.

Infektiöse Krankheiten haben die Eigenschaft, dass ihre Ausbreitung über jene, die das Falsche tun, hinausgeht und auch Unbeteiligte trifft. Auch wer alles richtig macht und sich an die vernünftigen Empfehlungen hält, kann durch andere geschädigt werden, bis hin zum Tod. 

Hier zeigt sich wieder: Ein wissenschaftsfeindliches, althergebrachtes Weltbild und die fehlende Bereitschaft, gesichertes Wissen zu akzeptieren, wenn es den eigenen Lehren widerspricht, führen zu gesundheitlichen Schäden und Tod. Keine Religion ist hier besser als die andere, auch wenn hier das gut dokumentierte hinduistische Beispiel aus den letzten Monaten dargestellt wurde. Der Glaube an erfundene Dinge, die längst widerlegt sind, tötet und schadet. Religion tötet. Es wird Zeit, sich zur Vernunft zu bekennen und die Unvernunft zurückzuweisen!

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