Religionsunterricht, der keinen Glauben vermitteln möchte?

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Dass eine Position nicht mehr der Gesellschaft vermittelbar ist, merkt man häufig daran, dass sie einseitig und nicht wahrheitsgemäß kommuniziert wird. Ein gutes Beispiel dafür findet sich im Podcast „Diesseits von Eden“ der theologischen Fakultäten in Österreich und Südtirol.

In der Ausgabe „Religionsunterricht: Was er leistet und wozu wir ihn brauchen“ vom 26. 10. 2022 erklärt Helena Stockinger, Universitätsprofessorin für Katechetik und Religionspädagogik an der Fakultät für Theologie der Katholischen Privatuniversität Linz wörtlich: „Katholischer Religionsunterricht möchte nicht Glauben vermitteln“ und „Ich möchte nur nochmal ausdrücklich betonen, weil das immer wieder, teilweise auch in Medien so verstanden wird. Religionsunterricht möchte nicht, dass Personen nach dem Religionsunterricht gläubige Menschen sind“.

Lehrpläne sind öffentlich

Wir haben die Möglichkeit zu wissen, was im Religionsunterricht stattfindet, wir müssen solche Aussagen nicht glauben. In Österreich wird der Lehrplan des konfessionellen Religionsunterrichts von den Religionsgemeinschaften erstellt, und dann als Verordnung des Bundesministers im Bundesgesetzblatt bekanntgemacht. Wir können also prüfen, was verpflichtender Inhalt im jeweiligen Religionsunterricht ist.

In den Lehrplänen für Volksschulen wird auch der römisch-katholische Religionsunterricht geregelt. Wir finden dort solche Inhalte:

  • ICH BIN – GOTT IST MIT MIR
  • Gott ist da – loben und danken
  • Jesus, das Licht Gottes, erwarten und feiern
  • Durch die Bibel von Jesus erfahren, wie Gott ist
  • Gottes Geist wirkt
  • Dieser Glaube hat in Jesus Christus seine Mitte

AtheistInnen wissen, dass das frei erfundene Aussagen sind. Es ist schwer, sie zu äußern und dabei nicht wie ein Dummkopf rüberzukommen. Menschen mit abgeschlossenem Theologiestudium wissen zumindest, dass diese Behauptungen nicht belegbar sind. Sie als Fakten auf einer Stufe mit anderen Unterrichtsfächern darzustellen ist also intellektuell unredlich. Die verpflichtenden Lehrpläne anderer Religionen enthalten ja diese „Fakten“ nicht, dafür ganz andere.

Wie vertragen sich diese Inhalte mit der Aussage der Professorin für Religionspädagogik, „nicht Glauben vermitteln“ zu wollen? Und warum enthält der Lehrplan, geschrieben von der römisch-katholischen Kirche, verordnet von einem Unterrichtsminister, dessen Bullshit-Detektor offensichtlich falsch eingestellt ist, diese Dinge, wenn man nicht möchte, dass „Personen nach dem Religionsunterricht gläubige Menschen sind“?

Ja, es sind auch andere Inhalte im Lehrplan. Aber die Professorin für Religionspädagogik hat nachdrücklich und wiederholt ausgeschlossen, dass Glauben vermittelt wird und dass der Zweck sei, gläubige Menschen zu erzeugen. Da genau diese Inhalte sich in der Verordnung auch finden, können sie im Unterricht nicht ausgeschlossen sein – außer, wenn der katholische Religionsunterricht den vorgegebenen Lehrplan ignoriert.

Auch bekannt ist der zwingende Missionsauftrag in Matthäus 29. Wir sollen also glauben, dass ausgerechnet die Leute, die die Kirche dafür ausgebildet und damit beauftragt hat, Kindern in dieser höchst manipulierbaren Entwicklungsphase Religionsunterricht zu erteilen, sich nicht daran halten?

Auch für die Oberstufe

Finden sich diese Inhalte nur im für kleine Kinder vereinfachten Lehrplan? Nein. Auch in der Oberstufe der Allgemeinbildenden Höheren Schulen sieht der Lehrplan solche Inhalte vor. Es geht hier schon um religionsmündige SchülerInnen an der Schwelle zur Volljährigkeit.

  • mit der Erlösung durch Jesus den Christus vertraut zu werden
  • aus der prophetisch befreienden Kraft der christlichen Botschaft
  • zu einem vertieften Sakramentenverständnis zu gelangen
  • Religiöse Übungen bieten im Rahmen der Schule einen Raum, der für religiöse Erfahrungen förderlich ist.

Also wieder: „Glauben vermitteln“ und „nach dem Religionsunterricht gläubige Menschen“ durch Förderung „religiöser Erfahrungen“ und „vertieftem Sakramentenverständnis“. Immer noch Bullshit, nur für eine reifere Zielgruppe blumiger formuliert.

Als Theologin hat die Professorin natürlich gelernt, dass es in der Praxis keine Rolle spielt, wenn man wahre Sachverhalte abstreitet oder Bedeutungen umdreht. Zum Beispiel hier:

„Ich sehe es im Sinne eines allgemeinen Bildungsverständnisses und auch Auftrag für ein friedliches Zusammenleben, dass sich Personen mit unterschiedlichen Religionen und Weltanschauungen miteinander auseinandersetzen.“

Trennen statt einen

Der Religionsunterricht ist für Kinder in der Schule die erste Auflösung ihrer Gruppe nach willkürlichen Kriterien (also nach der Religion, die ihre Eltern ihnen gegeben haben). Sie haben zwar schon Märchen gehört, aber noch keine Religion oder Weltanschauung, und begreifen sich gerade erst als Gruppe in der Klasse – nur um dann auseinandergerissen zu werden. „Miteinander auseinandersetzen“, indem sie getrennt zu verschiedenen konfessionellen Unterrichtsstunden abkommandiert werden: Theologischer Neusprech.

„Religion ist für manche Menschen ein Teil, der wesentlich zum Leben dazugehört, sagt Schule. Wenn dieser Teil nicht sichtbar sein darf, dann grenzt sie in gewisser Weise auch einen Teil der Menschen aus.“

Dies ist ein mehr oder weniger geschickter Ablenkungsversuch: Die vorhandene soziale Funktion der Religionen, ihre Geschichte, ihre positiven und negativen Auswirkungen sollen ja in der Schule vorkommen – aber objektiv, auf dem aktuellen Wissensstand, wie jedes andere Unterrichtsfach, deren Inhalte ja auch dann wahr sind, wenn man sie nicht glaubt. Dies kann in Geschichte und einem Ethikunterricht für alle passieren — im konfessionellen Religionsunterricht nicht so.

Mit unwahren Begründungen für etwas eintreten funktioniert in unserer Gesellschaft immer weniger. Die VertreterInnen solcher Positionen sollten bedenken, was es langfristig für ihre Glaubwürdigkeit bedeutet, wenn sie öffentlich leicht widerlegbare Aussagen tätigen.

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